Rust, 28.10.17
Die Reservierung hatte meine Frau bereits zwei Wochen im Voraus vorgenommen. Anlass war mein Geburtstag, und für mich war es eine lang ersehnte Premiere – nicht erst, seit das „Ammolite“ (man spricht es englisch aus) Ende 2014 den zweiten Michelin-Stern erhielt.
Bei einem Besuch im Europa Park und dem damit verbundenen unvermeidbaren Freizeitstress ist das Ammolite ein absoluter Ruhepol.
Es liegt im Parterre des Bell Rock-Towers, so dass es mit der synthetischen Gute-Laune-Kulisse des Parks so gut wie gar nicht in Berührung gerät.
Man kann einen Blick in die offene Küche werfen, in der Peter Hagen-Wiest selbst am Herd steht.
Die Küchenbrigade ist sehr überschaubar. Das liegt einerseits daran, dass bei dieser Art des Kochens die Vorbereitung (Mise en Place) ein Großteil der Arbeit ausmacht, andererseits aber auch daran, dass lediglich 39 Plätze im edel gestalteten Restaurant vorhanden sind. Während des Service kommt es vor allem auf die perfekte Gestaltung des Tellers an. Hier spielen wenige, aber dafür gut eingespielte Hände die Hauptrollrolle.
Die Wahl des Menüs fiel für uns an diesem Abend auf das Black Forest Menü, welches in der 4-Gänge-Variante für 95,- Euro und in der 6-Gänge Variante für 125,- Euro angeboten wird. Übrigens kann man sich die Gänge frei zusammenstellen, und auch die Anzahl ist dabei frei wählbar.
Wir entschieden uns für 5 Gänge, wobei meine Frau die vegetarische Variante wählte.
Beide ließen wir den Käse-Gang aus, wohlwissend, welche kulinarischen Schätze hier geboten werden, denn Maitre Antony, der wohl populärste Käse-Affineur in Europa mit Sitz im Süd-Elsass, liefert hier den veredelten Rohstoff.
Maitre Antony ist bereits eine eigene Reise wert, dies können wir aus eigener Erfahrung versichern.
Entgegen der landläufigen Meinung, man werde nicht satt, ist bei einem mehrgängigen Menü auf Sterne-Niveau der Käse oftmals schon ein zu viel des Guten.
Zunächst aber die Vorspeise mit Gänseleber auf Räucheraal im Rote-Beete-Mantel – ein wahrer Genuß!
Wobei der intensive Räucheraal, auf den die Gänseleberpastete gebettet war, für mich etwas zu dominant daher kam, denn die leicht süßliche Note des Portweins und des Gognacs wurden dadurch etwas in den Hintergrund gedrängt – der empfohlene Weißwein mit einer fruchtig-lieblichen Nuance unterstrich hingegen das Arrangement wieder perfekt.
Das Kalbsbries in der zweiten Vorspeise war eine Offenbarung.
Ich bin sozusagen als Koch mit Bries und Gänseleber aufgewachsen, und diese Rohstoffe gehören nach wie vor zu den erlesensten Zutaten, die man in der Küche verarbeiten darf. Sie gehören dazu wie das gute Glas Wein zu einem vollendetem kulinarischem Abend – bei letzterem entschied ich mich übrigens für die ausgewählte Weinbegleitung des Sommeliers – fast jeder Wein unterstrich die Speisen in perfekter Harmonie.
Zwischenzeitlich gab es ein frisch gebackenes, kleines und sehr feines Roggenbrot mit Kresse zum selbst Schneiden, eine nette und definitiv unterhaltsame Idee…
Beim Fischgang handelte es sich um ein klassisches Hechtklößchen (aus dem milden Fleisch des Hechts wird vorwiegend Farce und Klößchen hergestellt – dies ist der vielen Gräten geschuldet) auf Karottencoulis, für meinen Geschmack war die Textur der Hechtfarce etwas fest aber insgesamt war der Geschmack sehr ausgewogen, die
korrespondierende Karotte und der Liebstöckel waren dezent…, der Imperial Kaviar rundete aber das Gericht gekonnt harmonisch ab.
Die vegetarische Alternative zum Fischgericht mit Wurzelgemüsen im Fokus war sehr interessant, zumal es sich um alte Wintergemüse handelte. Die eher selten verarbeitete Haferwurzel besticht durch ein süßlich und latent nussiges Aroma. Mit dem Hafergetreide selbst, hat diese Wurzel ausser dem Namen allerdings nichts gemein.
Der Hauptgang war grundsolide und handwerklich perfekt umgesetzt. Ein fantasisch geschmortes Ochsenbäckchen und ein Rinderfilet au point serviert – ein Genuss…
Das Dessert bildete, inklusive eines hervorragenden Sauvignon Blanc Spätlese von der Mosel ein wahres Fest für die Sinne.
Des Weiteren gab es ein Dessert, welches nicht auf der Karte zu finden war, und für alle, die es gerne süß mögen, eine freudige Überraschung sein sollte.
Handwerklich und geschmacklich gab es hier nichts auszusetzen, meine Frau merkte an dieser Stelle an, dass es für sie eigentlich keine weitere Steigerung geben kann.
Die vermutlich letzte, aber nicht uninteressante Frage nach den Kosten für diesen Abend zu zweit, sollen hier natürlich auch beantwortet werden:
Inklusive Trinkgeld von knapp 30,- Euro (in Betracht des personellen Aufwands des Services) waren für diesen Abend 350,- Euro fällig.
Über das Für und Wider lässt sich je nach Blickwinkel sicher streiten, für uns war es ein besonderer Abend und deshalb haben wir den Preis gerne bezahlt – bis zum nächsten Sterne-Restaurant-Besuch wird es vermutlich wieder etwas länger dauern…
Fazit: Wenn ich im Nachgang vergleiche zwischen dem Besuch bei Klaus Erfort in seinem Gästehaus Erfort in Saarbrücken, ein Drei-Sterne-Restaurant der absoluten Spitzenklasse, fällt auf, dass im Ammolite deutlich traditioneller gekocht wird.
Die Molekularküche ist hier bei weitem nicht so tief verwurzelt.
Für mich persönlich aber kein Grund zur Abwertung oder hier nicht mehr vorbeizuschauen – ganz im Gegenteil, ich liebe die klassische Küche über alles.
Bon Appétit
Tim Santo